Das Lernerlebnis (Learning Experience) mit und in Virtual Reality (kurz VR) und die optimale Unterstützung des Lernprozesses und der Lerninhalte stehen im Mittelpunkt der Auswahl der VR-Technologie, nicht die Technologie selber. Das jeweilige Anwendungsfeld, Zielgruppe und Lernziele stehen im Vordergrund der Entscheidung für einen bestimmten Hersteller und Umsetzungsform.
Autor Torsten Fell
Hinweis: In diesen Artikel wird Virtual Reality (VR) fokussiert, es wird keine Hardware für AR oder reine 360Grad-Fotos/Videos hier bewertet und empfohlen.
Um die Technologie einschätzen zu können, ist einiges an Verständnis und Erfahrung sinnvoll. Ich empfehle, sich professionelle Unterstützung zu besorgen und ein ganzheitliches Konzept erstellen zu lassen. Und ja, es kommt ja dauernd neue Hardware auf den Markt. Wähle ich jetzt eine Lösung, ist diese in einem Jahr veraltet und die neuen Technologien bieten neue Möglichkeiten. Diesen Prozess kennen wir schon, denken Sie einmal an die Entwicklungen vor 10 Jahren rund um das Thema Mobile Device zurück. Also wird in der Zeit, in der Sie diesen Artikel lesen werden, in der Welt bereits die nächste Generation VR-Brillen entwickelt. Wir haben uns ja bei den Mobile Device auch nicht aufhalten lassen, trotzdem die Hardware zu kaufen und sinnvolle Einsatzszenarien zu generieren.
Was muss ich wissen?
Grob unterscheidet man bei VR-Brillen zwischen zwei unterschiedlichen Bauarten: kabelgebundene oder auch PC-gebundene genannt und kabellose/mobile – Stand-Alone/Mobile-Brillen.
Bei kabelgebundenen VR-Headsets ist die Lage eindeutig: Hierzu werden alle Geräte gezählt, die per Kabel an den PC oder an eine Konsole angeschlossen werden müssen. Der Unterschied zwischen kabellosen und mobilen VR-Headsets ist weniger ausgeprägt. Beide haben keine Kabelverbindung zu einem externen Gerät. Als mobile Headsets werden jedoch solche bezeichnet, die auf ein Smartphone angewiesen sind. Das Smartphone trägt die Leistung und den Bildschirm bei, während das Headset selbst nur eine „Hülle“ ist, die das Bild spaltet und für die Augen als 3D sichtbar macht. Kabellose Stand-Alone-Headsets kommen hingegen komplett ohne irgendein anderes Gerät aus, die gesamte Technik ist in der Brille selbst verbaut. Die Rechnerleistung ist gegenüber PC-gebundene eingeschränkter.
Ein weiteres wichtiges Unterscheidungsmerkmal bei VR-Brillen ist, wie sie die Bewegungen des Nutzers verfolgen können. Es wird hier zwischen zwei Arten von Bewegungs-Tracking im Raum unterschieden: 3DOF und 6DOF (Glossar). 3DOF kann die Richtung verfolgen, in die mit dem Kopf oder der Hand gezeigt wird, ist aber nicht in der Lage, Bewegungen nach vorne/hinten, oben/unten oder links/rechts zu unterscheiden. Für 6DOF sind spezielle Sensoren oder Kameras nötig, die die räumliche Position des Nutzers verfolgen können. Dieser kann sich dann sogar in der virtuellen Welt fortbewegen, in dem er in der physischen Welt die motorische Bewegung ausführt. Hierbei wird noch unterschieden, ob die Sensoren außerhalb der Brille (Outside-In-Tracking) oder in der VR-Brille (Inside-In-Tracking) verbaut sind. Die letztere Methode ist natürlich für Stand-Alone-Systeme interessant.
Kabelgebundene (PC-gebundene) VR-Brillen
Die teuren und leistungsstarken Highend-Brillen bieten von allen VR-Geräten den größten Funktionsumfang und liefern das beste Lernerlebnis. Das Stichwort hier ist die vollständige Immersion, also das Ausblenden der realen Umgebung und das Eintauchen in die virtuelle Lernwelt.
Ein „klassisches“ Setting für eine VR-Brille (HMD – Glossar), die an einen PC / Notebook angeschlossen ist, besteht aus mehreren Komponenten (sogenannte PC-gebundene VR-Brillen)
- die VR-Brille (HMD) selber
- meistens min. 2 externe Sensoren – auch Basisstationen bei SteamVR genannt – für das Outside-In-Tracking (siehe Glossar) – diese entfallen bei sogenannten Stand-Alone-Lösungen, hier wird dann Inside-Out-Tracking realisiert
- meistens 2 Controller für beide Hände – um die Simulation der Hände und Interaktionsmöglichkeiten in der virtuellen Welt sicherzustellen – zunehmend wird es Möglichkeiten geben, dass die Hände und Finger ohne Controller erkannt und in der virtuellen Welt abgebildet werden können
Meist gibt es eine sogenannte Linkbox, für den Anschluss der Brille an den PC/Notebook (HDMI, USB). Die PC-gebundenen VR-Brillen besitzen ein Kabel, über das die Videosignale und Informationen übertragen werden. Diese kann bei einigen Herstellern über ein WLAN-Kit wegfallen. Hier ist zu beachten, dass in den bestehenden Lösungen kein Notebook ohne weiteres verwendet werden kann, da ein PC-Steckplatz notwendig ist. Die WLAN-Lösungen bieten sich bei festeingerichteten VR-Labs in der Organisation an. Auch wird bei WLAN-Realisierungen die sogenannte Latenzzeit ansteigen und ggf. je nach Visualisierungsgrad die Motion Sickness (Glossar) beim Lerner steigern. Es gibt bereits auch erste Multi-User-Lösungen mit WLAN-Funktionen für z.B. die Oculus Quest.
Optional gibt es weitere externe Hardware z.B. zusätzliche externe Tracker bei der HTC, um externe Geräte oder Werkzeuge in die virtuelle Welt einzubinden. So können echte Geräte wie Feuerlöscher, Motorsägen z.B. bei den VR-Trainings der Firma Stihl oder Lackierpistolen in die virtuellen Lernwelten integriert und interaktiv verwendet werden. Hierdurch ist das echte haptische und funktionale Erlebnis des Gerätes in der virtuellen Welt möglich. Auch werden so in der Medizin echte OP-Hardware in die virtuelle Welt integriert und in eine Learning Experience eingebunden.
Um eine Outside-In-Tracking-Lösung (Glossar) aufzubauen, benötigen Sie heute bei Oculus Rift oder HTC Vive Pro weniger als 10 Minuten. Hierzu ist es sinnvoll, zwei Stative für die externen Sensoren z.B. die SteamVR 2.0 Lighthouse-Stationen, zu besitzen und diese daran zu befestigen, bzw. bei Oculus auf einen Tisch zu platzieren. Das Tracking stellt in Echtzeit die Übertragung der motorischen Bewegung in die virtuelle Welt sicher. Hierzu wird ein entsprechend großer freier physischer Platz benötigt. Die Sensortechnologie, die auch als „Leuchtturm“-Tracking bekannt ist, ermöglicht eine sehr genaue Bewegungsverfolgung in einem vorher definierten und eingemessen Raum.
Meine Empfehlung und Erfahrung zeigt, dass in den Unternehmen im Lernumfeld die HTC Vive oder Vive Pro meist zum Einsatz kommt. Dies hat nach meiner Meinung mehrere Gründe, das Tracking über die SteamVR 2.0 Lighthouse-Stationen funktioniert im Raum sehr gut, ist sehr genau und der Raum kann sehr groß bis ca. 100m2 (bei ca. 8 Lighthouse-Stationen) sein, zusätzlich besitzt HTC für die Vive und Focus-Brille eine Enterprise-Lösung (Advantage). Hier ist u.a. der Kisok-Modus interessant, dieser erlaubt es, den Zugriff auf Apps, Navigation und Backend zu beschränken. Hiermit ist z.B. der direkte Start einer Learning Experience möglich.
Oculus hat letzteres zwar für diesen Herbst ebenfalls angekündigt, Stand heute gibt es hier aber keine Enterprise Unterstützung und Lösung. Für manche Unternehmen ist auch die Tatsache, dass hinter Oculus eigentlich Facebook steht, eine Herausforderung bei der Integration in die interne IT-Strukturen.
Stand-Alone-VR-Brillen
Die relativ neue Alternative zu den teuren kabelgebundenen Headsets sind sogenannte Stand-Alone-VR-Brillen, die ohne einen Gaming-PC oder eine Spiele-Konsole wie der Playstation auskommen. Das bedeutet aber auch, dass die Stand-Alone-Geräte nicht auf die starke Hardware von PC und Konsole zugreifen können. Der Vorteil gegenüber mobilen VR-Brillen, die das Smartphone zur Darstellung der Inhalte benutzen, ist, dass die Stand-Alone-Brillen ein deutlich besseres stereoskopisches Bild liefern, das auf dem Niveau der Highend-Geräte ist.
Die aktuelle Oculus Quest ist in weniger als eine Minute einsetzbar und das Erleben einer vollwertigen 6DOF – Lösung ist möglich. Hierbei kann ein individueller Raum mit einer Room-Scale-Funktion eingerichtet werden. Dies geschieht schnell, einfach und ist sehr stabil. Hier kann von der Zukunft von VR gesprochen werden, die bereits jetzt erlebbar ist.
Mobile VR-Brillen mit dem Smartphone
Mobile VR-Brillen stellen den einfachsten Einstieg in die VR-Welt dar. Die günstigen Headsets benötigen lediglich ein Smartphone mit einigermaßen aktueller Hardware und schon kann es losgehen. Die Leistung ist zu den Stand-Alone-VR-Brillen vergleichbar oder sogar besser. Trotzdem gibt es Einschränkungen bei der Bewegungsfreiheit, da Smartphones eben nicht speziell für VR gebaut sind. Meist werden solche Lösungen für die Darstellung von 360 Grad-Fotos- oder Videos verwendet. Im Umfeld erweiterte Realität ist das Smartphone oder dann auch das Tablet wieder interessant. Im Einsatzgebiet Virtual Reality (VR) aber nur eingeschränkt sinnvoll. Z.B. kann man interaktive Firmen-Touren, Verkaufsgespräche oder Fachprozesse so einfach und schnell produzieren. Heute gibt es hierzu einige Autorenwerkzeuge, die es erlauben, Lerninhalte selber für die 360Grad-Darstellung zu produzieren. Wichtig ist wie immer das Storytelling und die sinnvolle Nutzung von Interaktionen. Diese werden durch die Blick-Fokussierung (GAZE) auf definierte Hotspots durchgeführt und ermöglichen so, sogar Quizfragen zu beantworten oder zusätzliche Lerninhalte einzublenden. Um die Inhalte optimal mit dem Smartphone als Raumdarstellung (3DOF) zu visualisieren, benötigt man neben einer VR-fähigen App mindestens ein Cardboard aus Pappe oder eine einfache aus Plastik gebaute Halterung mit Linsen für das Smartphone. Auch können hier Youtube-Filme als 360Grad angesehen werden. Dies ist u.a. bei der Re-krutierung oder Onboarding-Prozesse interessant.
PC-gebundene Lösungen vs. Stand-Alone-Lösungen im Lernumfeld
Vor ca. drei Jahren erschienen mit Oculus Rift, HTC Vive und PlayStation VR die ersten ausgereiften VR-Headsets für PCs und Konsolen. Diese VR-Brillen sind sogenannte PC-gebundene VR-Brillen, die ein PC oder Notebook benötigen.
Stand-Alone-VR-Brillen wie die HTC Focus, Oculus Go oder Oculus Quest benötigen keine externen PC/Notebooks. Die benötigte Rechenleistung und Speicher für Apps ist bereits in der Brille verbaut. Bei letzteres dürfte klar sein, dass diese VR-Brillen nicht so leistungsfähig sind, wenn es um die grafische Darstellung geht, wie die Lösungen, bei denen ein PC oder Notebook die Rechenpower und insbesondere hier die High-End-Grafikkarte übernehmen kann.
Eine Skalierung auf eine große Zielgruppe ist mit PC-gebundenen VR-Brillen nicht wirklich möglich. Auch die Tatsache, dass fest eingemessene physische Räume als Grundlage für die virtuelle Lernwelt dort notwendig sind, macht eine Skalierung sehr schwer möglich. Sollten Sie aber einen oder mehrere Räume fest für VR nutzen und z.B. die Sensoren zum Outside-In-Tracking fest installieren können sowie einen min. 2,5 x 2,5m große freie Fläche haben, bieten sich PC-gebundene Lösungen an. Die aktuellen Lösungen können sogar eine Fläche von bis zu 100m2 nutzen z.B. mit den Valve Sensoren der Version 2.0 und einer HTC Vive Pro. In den meisten VR-Lab stehen ca. 3 bis 4m pro Seite zur Verfügung. Dies richtet sich u.a. an den im virtuellen Raum simulierten Inhalt, optimal ist es, wenn der Lerner das virtuelle Objekt komplett umlaufen kann, wenn Sie also eine 2 x 2m große Anlage simulieren wollen, wäre ein Raum mit 3 x 3m sehr sinnvoll. Ansonsten kann der Lerner sich natürlich über das Teleport (Glossar) im virtuellen Raum frei um das Objekt bewegen. Die PC-gebundenen VR-Brillen ermöglichen im Moment natürlich die beste Rechenpower. Game-PC/Notebook erlauben hohe Rechenpower, moderne Grafikkarten stellen die benötige Rahmenbedingungen sicher, um die optimale Darstellungsqualität mit den aktuellen Brillen zu gewährleisten (siehe unten).
Auf dem PC/Notebook werden die benötigen Apps aus App-Stores der Hersteller oder anderen VR-Lernplattformen installiert und an die VR-Brillen übertragen. Die VR-Brille übernimmt die optimale Visualisierung der Grafik-Daten, die Rechenpower findet in der Grafikkarte im Rechner statt.
Um die Unterschiede im Detail zu verstehen, sind Themen wie die Größe des Sichtfeldes, die Bildwiederholungsfrequenz, die Auflösung pro Auge, der Trage-Komfort, die benötigte Software-Umgebung usw. zu analysieren. Viele Faktoren führen somit zu einer optimalen Lösung, abhängig vom Ziel.
Im letzten Jahr wurde das Thema Stand-Alone-VR-Brillen immer interessanter. Hier stehen zunehmend mehrere Lösungen im Markt zur Verfügung. Hier fallen externe PC/Notebook, Sensoren und Verbindungskabel von der Brille zum PC/Notebook gänzlich weg. Die gesamte Rechenpower und das Tracking wird durch die VR-Brille selber sichergestellt. Eingebaute Sensoren scannen den Raum, eingebaute Außenkameras erlauben im Passthrough-Feature das Einblenden der realen in die virtuelle Welt. Die benötigen Lerninhalte sind als Apps lokal auf der Brille in einem Speicher installiert. Die Installation der Apps erfolgt über WLAN, Smartphone-Apps und Software-Oberflächen in den jeweiligen App-Stores der Hersteller. Was im Moment sehr spannend ist, ist, dass aktuell 6DOF-Geräte (Glossar) entstehen, dies bedeutet, dass ich mit Stand-Alone-Geräten nicht nur an der Stelle stehen kann wie bei den mobilen VR-Brillen, sondern mich analog einer PC-gebundenen-Lösung im physischen Raum bewegen kann. Dieser wird individuell im Vorfeld mit der VR-Brille eingemessen und ist danach virtuell und physisch begehbar. Aktuelle Lösungen können so ganze freie Fläche in einer Wohnung nutzen. Diese Entwicklung ist im Lernumfeld über Unternehmen sehr spannend und könnte weiteren Schub in der Entwicklung der Lernprozesse in VR bedeuten. Auch sind hier die Investitionskosten deutlich niedriger wie bei PC-gebundenen Lösungen. Nachteil: Die Rechenleistung und der Speicher für Apps ist durch die VR-Brille beschränkt.
Vielzahl von Einsatzgebieten der VR-Technologien
Im Lernen sind die heutigen Einsatzgebiete und Themen bereits sehr weitgehende:
- Simulation von Anlagen, Gebäudekomplexen, Maschinen, Werkzeuge, Fahrzeugen
- Erleben von Arbeitsprozessen z.B. Produktion, Logistik, Operationsverfahren, Wartungs-/Support-Prozesse…
- Teamprozesse (Multiuser-Realisierungen), z.B. im OP-Saal, in der Produktion
- Vermittlung von Grundlagen Wissen, z.B. Physik, Biologie, Chemie, Elektrotechnik…
- Verkaufs-/Beratungssituationen
- Kollaborationsprozesse z.B. Ideen-Entwicklung, Design-Thinking, Führungskräfte-Ausbildungen…
- Von meiner Seite nicht in 1.Prio – gefährliche Situationen oder Risikoumgebungen
Bei den aufgelisteten Einsatzszenarien wird klar, dass abhängig von den Themen, dem Storytelling und den organisatorischen Rahmenbedingungen die unterschiedlichen VR-Technologien maßgeblich die Umsetzung mitbestimmen.
Also können je nach Anwendungsfeld im Lernen eine Vielzahl von Lösungen genutzt werden.
Im Moment werden in Unternehmen hauptsächlich HTC Vive Pro –Lösungen mit PC-gebundenen und mit Kabel-Lösungen eingesetzt. Durch den Aufbau von VR-Labs werden zunehmend WLAN-Lösungen ohne Kabel zum Einsatz kommen. Inwieweit Stand-Alone-Lösungen Einzug halten, wird die nächsten Monate zeigen. Hier kommen die interessanten VR-Brillen gerade erst auf den Markt.
Weitere Erfolgsfaktoren
Tragekomfort und visuelle Darstellung individuell optimieren: Total unterschätzt werden meist individuelle Einstellungsmöglichkeiten an den VR-Brillen. Hier ist der Linsenabstand, optimiert auf den eigenen Augenabstand, oder die Entfernung der Linsen in der VR-Brille zu meinen Augen zu nennen. Letzteres z.B. ist Brillenträgern wichtig. Den persönlichen Augenabstand können Brillenträger dem Brillenpass entnehmen oder wenn sie keine Brille tragen, kann dieser einfach gemessen werden, eine Anleitung finden sie auf www.immersivelearning.institute
Auch sollten die Halterungen und die Einstellungsmöglichkeit auf den Kopf unbedingt optimiert sein, um beim Lernen nicht gestört zu werden. Und ja, es wird irgendwann warm unter der Brille, aber der Durchschnitt der Lernzeit liegt ja bei ca. 15 Minuten, also machbar.
Hygiene bei der Anwendung – meist mangelhaft: Leider wird bei allen erlebten Einsätzen das Thema Hygiene total stiefmütterlich behandelt. Wollen Sie eine Brille auf einer Messe aufsetzen, die bereits 100 andere Leute auf dem Kopf und im Gesicht hatten, und die Anbieter haben diese zwischendurch nicht gereinigt? Was es hier für Möglichkeiten und Umsetzungen gibt, finden Sie in einem Whitepaper unter www.immersivelearning.institute zusammengefasst.
Ein paar VR-Brillen im Vergleich (Stand Mai 2019)
Die folgende Übersicht hilft einen schnellen Einblick in die aktuell am häufigsten verwendeten VR-Brillen zu bekommen. Sie ist nicht abschließend und vollständig. Beinhaltet aber für den Lernkontext die wichtigsten Hersteller und zeigt die vorhandene Breite auf. Die Nutzung ist vom Lerninhalt, der Komplexität der grafischen Darstellungsqualität, der geforderten Interaktionsvielfalt, der Bewegungsfreiheit und der Zielgruppe mit den entsprechenden organisatorischen Rahmen und Zielen abhängig. Bevor man sich für eine Hardware entscheidet, sollte man unbedingt diese selber testen und selber auf dem Kopf gehabt haben.
Hinweis: Die PIMAX- und HP Reverb-Brille stellen im Moment die Spitze der Darstellungsqualität dar. Hier muss beim Kauf unbedingt genügend Rechenpower und eine aktuelle Grafikkarte vorhanden sein. Dagegen steht die Oculus Quest eine Stand-Alone-Brille, die vollwertigen 6DOF erlaubt und schnell genutzt werden kann.
Die Tabelle bildet nicht alle im Markt verfügbaren Geräte ab, so fehlt z.B. die Google Daydream, die Playstation VR oder der ganze Bereich der Google Cardboards. Diese wurden bewusst nicht aufgeführt, da der Einsatz in Unternehmen nicht zielführend ist. Es ist denkbar, dass mit einem Google Cardboard Lerninhalte z.B. im Onboarding oder Rekrutierungsprozess im Umfeld Employer Branding verwendet wird, aber auf Dauer ist dies für andere Lerninhalte und Lernprozesse nicht zu empfehlen. Auch wenn es verlockend ist, Brillen ja nach Produktionsmenge ab 2 bis 4 Euro gebrandet zu kaufen und sein vorhandenes Smartphone zur Visualisierung der Lerninhalte zu verwenden.
Das SteamVR 2.0-Tracking stellt für mich das im Moment beste Raumtracking dar. Dies ist u.a. bei größeren begehbaren Flächen ein wichtiges Thema.
Bei den Stand-Alone-VR-Brillen sollte man noch einen Blick auf die Akku-Laufzeiten werfen. Hier gibt es 2 bis 4 Stunden eine große Spannbreite. Insbesondere in einem Klassenraumkonzept, bei dem mehrere Klassen nacheinander kommen, muss die Wiederaufladungszeit berücksichtigt werden. Auch im VR-Lab sollten generell genügend Steckdosen vorhanden sein, um Brille, Controller oder Akkus des WLAN-Kits aufzuladen. Die Oculus Quest hat ein sehr gute Room-Scale-Funktion. Die einmal eingemessenen Bereiche werden sogar wiedererkannt und können verwendet werden. Der große Vorteil von der Oculus Quest ist sicherlich die Einfachheit und das volle 6DOF-Erlebnis. Interessant sind auch Lösungen, die Multi-User-Szenarien abbilden können, so hat die Firma TPCast eine WLAN-Lösung für 24 User auf 20x20m entwickelt – unterstützt werden Oculus Go und Oculus Quest-Brillen.
Natürlich besitzen alle Brillen mind. ein Mikrofon, manche auch mehrere. Dies stellt z.B. bei Multi-User-Setting die Kommunikation mit anderen Lernern oder mit dem Trainer über die Distanz sicher. Auch kann so zusätzliche Sprachsteuerung realisiert werden. Einige Brillen erlauben, den Augenabstand IPD (58 – 72 mm) individuell einzustellen (siehe weiter oben im Artikel).
Um Learning Experience auf den Brillen laufen zu lassen, gibt es die App-Stores der Hersteller wie Steam, Viveport oder von Oculus. Hier werden teilweise sogar Abo-Modelle angeboten. Ansonsten gibt es hier kostenlose und kostenpflichtige Apps zu kaufen. Wenn eigene Entwicklungen auf die Geräteverteilt werden sollen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten und Technologien. Generell ist dies aber einfach möglich. Auch unterstützen immer mehr VR-Lernportale diesen Prozess und können dies für Benutzer, Rollen oder Devices steuern.
In China werden in Lernszenarien oft die HTC Vive Focus (Plus) eingesetzt. Hier hat HTC ein eigens entwickeltes Education-Paket für Asien im Einsatz.
Der Tragekomfort ist ein sehr individuelles Gefühl. Ich empfehle, die Brille einmal selber aufzuziehen und dies zu erleben. Natürlich kann es sein, dass andere Lerner dies dann anders einschätzen, aber selber schon einmal 30 Minuten die Brille auf dem Kopf zu haben, wäre gut.
Kriterien für PC´s bei PC-gebundenen VR-Lösungen (Stand Mai 2019)
Desktop PC´s werden meist in VR-Labs für die stationäre Verwendung von PC-gebundenen-VR-Brillen eingesetzt. Diese sind im Moment für die Nutzung der WLAN-Kit notwendig.
Um ein mobiles VR-LAB sein eigen zu nennen, ist ein gutes Game-Notebook notwendig. Das Preissegment liegt hier meist über 2000 Euro. Wichtig ist hier, wie bereits bei den PC-Lösungen, Prozessorleistung, Hauptspeicher, Grafikkarte und lokale Speicher. Bei einer mobilen Lösung kommen weitere Überlegungen dazu, wie die Sensoren für das Tracking aufgebaut werden und die nötige Stromversorgung sichergestellt werden kann.
Hardware-Anforderungen für Stand-Alone-VR-Brillen
Hier sind keine zusätzlichen Hardware-Anforderungen groß zu berücksichtigen, da kein PC/Notebook direkt für die Nutzung der Learning Experience im Lernprozess notwendig ist. Natürlich müssen ggf. über einen Rechner Einstellungen vorgenommen oder Apps gekauft und die Installation auf der Brille angestoßen werden, aber zur Bearbeitung der Learning Experience ist keine zusätzliche Hardware notwendig.
Der Teufel kann im Detail stecken…
Um für seine VR Learning Experience die richtige und notwendige Hardware zu identifizieren, sind viele Details zu berücksichtigen. Ich empfehle Ihnen hier, dies mit ihrer IT-Abteilung zusammen zu prüfen. Auch erlebe ich im Moment viele Realisierungen, bei denen die VR-Rechner nicht in die internen IT-Strukturen eingebunden werden. Da hier z.B. häufiger Systemupdates notwendig sind oder die notwendige Grafikkarten-Treiber upgedatet werden müssen. Bei diesen Lösungen wird zunehmend die Herausforderung sein, Lernerdaten auszutauschen, individuelle Lernprozesse durchzuführen und Lernhistorien/-stände zu befüllen.
Dadurch, dass die Investitionen heute von 200 bis 4500 Euro gehen können, lohnt es sich, genau hinzuschauen und zu verstehen, wo welche Realisierung Sinn macht. Ich erlebe zunehmend, dass je nach Anwendungszweck mehrere Lösungen parallel betrieben werden.
Heute ist es zunehmend die Herausforderung, die Hardware und Software in die Prozesse der Organisationen zu integrieren. Auch muß dies natürlich auf Software-Seite geschehen, hier sind zusätzliche Fragestellungen zu lösen. Auch müssen die Lernbegleitungsprozesse durch Trainer/Experten und Visualisierungen für potentielle Zuschauer gelöst werden – technologisch wie organisatorisch. Auch muss das passende didaktische/methodische Konzept gefunden und zur Anwendung gebracht werden. Die Welt von morgen steht auf jeden Fall zur Verfügung. Dabei spielen Raum und Zeit in einer Learning Experience keine Rolle mehr. Die Hardware ist vielfältig und unterstützt nahezu alle Lernszenarien und Anforderungen. Auf der Learnext.space am 08. und 09.10. und auf der VR/AR-Area der Learntec 2020 können Sie sich live neue Hardware-Lösungen ansehen und erleben. Viel Spaß bei der Umsetzung.
Glossar
Inside-out tracking: Das VR-/MR-Headset arbeitet mit eingebauten Sensoren/Kameras und orientiert sich ohne externe „Hilfe“ alleine im Raum. Man trackt also von innen nach außen: Inside-out tracking. Das hat den Vorteil, dass der Aufbau denkbar einfach ist: Das Gerät arbeitet autark. Die Windows Mixed Reality Headsets und die Microsoft HoloLens arbeiten nach diesem Prinzip.
Outside-in tracking: Das VR-/MR-Headset arbeitet mit externen Sensoren/Kameras und orientiert sich mit deren „Hilfe“ alleine im Raum. Man trackt als von außen nach innen: Outside-in tracking. Der Aufbau erfordert also externe Hardware: Die Sony PlayStation Camera für PlayStation VR, die Lighthouses für die HTC Vive oder die Tracking Sensoren für Oculus Rift.
HMD: HMD ist die Abkürzung für Head-Mounted Display. Das kann eine Videobrille oder eine VR-Brille sein. Die Videobrille zeigt Bilder auf einem Bildschirm direkt vor den Augen. Ein VR-Headset hat sowohl zusätzliche Sensoren, um die Bewegungen des Kopfes zu erfassen, als auch Linsen, die ein möglich großes Field of View erzeugen.
VR Learning Experience: Interaktive Lernwelten, die komplett im virtuellen Raum abgebildet sind und höchste Immersion beim Lerner fördern. Motorische Bewegungen und das Interagieren mit virtuellen Objekten in der Lernwelt stehen im Vordergrund.
Virtual Reality (VR): Virtuelle Realität bezeichnet die Schaffung einer scheinbaren computergenerierten Welt, in die der Betrachter eintauchen und mit der er interagieren kann.
Steam VR: Steam VR ist eine populäre Plattform zum Download von Virtual Reality Spielen und Apps. Um die Verteilung von Apps zu Nutzern sicherzustellen, bietet Steam VR die Basis und ein Geschäftsmodell.
Latenz / Verzögerung: Beschreibt die Verzögerung (entweder bei der Übertragung von Bildern auf das Auge oder von Tönen auf das Ohr) zwischen Nutzerbewegung und VR-Reaktion. Je geringer die Latenz, desto realistischer ist die VR-Erfahrung. Eine zu hohe Latenz, meist aufgrund zu schwacher Hardware, kann das virtuelle Erlebnis trüben oder sogar Schwindel (Motion Sickness) hervorrufen.
Motion Sickness: Ein mit der Seekrankheit vergleichbares Schwindelgefühl, erzeugt durch virtuelle Erlebnisse. Der Begriff Simulatorkrankheit oder englisch Simulator Sickness, bezeichnet ein Gefühl des Unwohlseins (Schwindel, Übelkeit etc.), das durch eine Irritation der Sinnesorgane bei Menschen zustande kommen kann, weil der menschliche Gleichgewichtssinn dem Gehirn wiederum mitteilt, dass keine realitätsbezogene oder gar keine Bewegung vorhanden ist. Dies kann in Virtual Reality durch eine hohe Latenz der Trackingsysteme hervorgerufen werden.
Room Scale VR: Unter Room Scale VR versteht man ein Virtual Reality Setup, welches einem erlaubt, sich frei in einem gewissen Bereich eines Raumes zu bewegen. Üblicherweise besteht ein Room Scale VR Setup auf einem PC, einer VR-Brille, Sensoren, die den Raum erfassen und Motion Controllern.
Quelle: http://www.immersivelearning.news/immersive-learning-glossar/
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