Auf Reisen gehen mit einer VR-Brille. Zwei Brüder aus Neufahrn bei Freising machen es möglich. Besonders Pflege- und Altenheime nutzen die Technik. Ihre Bewohner kommen so virtuell ans Meer oder in die Bergen. Das entspannt und macht glücklich.
Beruhigen, entspannen, entschleunigen. Wem tut das nicht gut. Mit der Virtual Reality-Brille der Brüder Martin und Giorgio Koppehele aus Neufahrn bei Freising geht es: auf Knopfdruck für fünf bis zehn Minuten abtauchen in eine andere Welt. Vor einem Jahr haben die beiden Multimedia-Produzenten die virtuellen Ausflüge mit Bild und Klang auf den Markt gebracht. 100 Brillen sind deutschlandweit bereits im Einsatz. Vor allem Pflege- und Altenheime haben großes Interesse an der Hightech-Brille.
Mit Delfinen virtuell schwimmen
Seniorin Anneliese Rieger lebt im Alten- und Pflegeheim der Barmherzigen Schwestern im Waldsanatorium in Krailling bei München. Sie kennt die virtuellen Entspannungsreisen bereits. Die 85-Jährige liebt sie heiß und innig, erzählt sie. Die ehemalige Künstlerin hatte einen Schlaganfall und kann nicht mehr reisen. Jetzt kommt die Welt zu ihr – mit Hilfe der VR-Brille. Silke Süss von der sozialen Betreuung im Pflegeheim bringt ihr die schwarze Brille, die mehr aussieht wie ein Visier. Sie liegt in einem kleinen Koffer. Anneliese Rieger sucht sich aus einem Katalog einen Ausflug aus. Sie wählt einen Tauchgang mit Delfinen am Roten Meer.
Die alte, elegante Dame zieht sich die Hightech-Brille über ihre grauen Haare, ihr Gesicht ist damit fast komplett bedeckt. Sofort taucht sie ab in eine andere Welt. Um sie herum schwimmen die Delfine. Anneliese Rieger schwärmt. „Oh, das ist gut! Wunderbar! Die sind überall: links, rechts, und zum Greifen nah! Man möchte die anfassen und mit schwimmen.“ Zuerst ist die Seniorin ganz aufgeregt, so entzückt ist sie. Dann lehnt sie sich entspannt zurück in ihren Sessel und genießt das Schwimmen mit den Delfinen. Fünf Minuten dauert der virtuelle Ausflug. Es ist zu spüren: Anneliese Rieger tut er gut.
Heimbewohner sind begeistert von der VR-Brille
Seit wenigen Monaten ist die VR-Brille im Einsatz im Alten- und Pflegeheim der Barmherzigen Schwestern in Krailling. Von den knapp 90 Bewohnerinnen und Bewohner hat sie schon ein Drittel genutzt. Fast alle seien begeistert, berichtet Silke Süss von der sozialen Betreuung. Sie selbst sei anfangs skeptisch gewesen, jetzt ist sie überzeugt von den virtuellen Reisen. Denn sie hätten tatsächlich eine positive Wirkung. „Bei den sehr kranken Heimbewohner, die überwiegend im Bett liegen, haben wir die Erfahrungen gemacht, dass die Bewohner total entspannen und sich dann auch wieder bewegen. Sie gehen dem Film praktisch nach. Das ist schon ein großer Erfolg“, erzählt Silke Süss. Für sie und ihr Team sei es wunderschön zuzusehen, wie die Bewohner in eine andere Welt abtauchen. Auch das ist digitale Teilhabe.
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Brüder aus Neufahrn haben virtuelle Entspannungsreisen entwickelt
Die Heimbewohner werden bei der virtuellen Reise nicht alleine gelassen. Die Betreuer bleiben dabei, beobachten sie, ob es ihnen wirklich gut geht dabei. Das Alten- und Pflegeheim in Krailling hat die VR-Brille geleast und zahlt jährlich 2.000 Euro an die Multimedia-Produzenten Martin und Giorgio Koppehele. Allein zehn Pflege- und Altenheime in Bayern nutzten bereits die VR-Brillen, sagt Giorgio Koppehele. Sie hätten auch schon Anfragen aus dem Ausland.
Berliner Humboldt-Uni begleitet bayerische Brillen-Technik
Wissenschaftlich begleitet wurden die bayerischen Multimedia-Produzenten von der Berliner Humboldt Universität. Informatiker und Germanist Dr. Christian Stein bestätigt im BR-Gespräch die Entspannungswirkung der Ausflüge mit binauralem Sound und VR-Brille von Magic Horizons. „Natürlich ersetzen sie nicht den realen Urlaub. Aber in den Virtual Reality Headsets liegt großes Potential. Wir können so auch andere Orte erreichen wie auf den Mond oder in die Niagarafälle stellen. VR-Tourismus wird sicherlich ein Thema in der Zukunft sein.“, so der 39-Jährige.
Meer, Wald, Berge: 30 Ausflüge stehen zur Auswahl
Aktuell bieten die Brüder Koppehele, die ursprünglich aus der Musikbranche kommen, rund 30 verschiedenen Ausflugsziele an. Sie können in der Library heruntergeladen werden. Bergsteigen, Strandspaziergänge, Schwimmen mit Delphinen, kristallklare Bergseen oder Wanderungen durch die Natur. Die Angebote werden ständig erweitert. „Dann gibt es den großen Bereich mit binauralem Audio. Da wird man in einer künstlichen Welt über gewisse Klänge und Töne heruntergeholt. Der dritte Bereich ist interaktiv, wo ich auch Bewegungsübungen habe bis hin zum Wurfspiel auf den Mond. Und der vierte Bereich ist alles rund um Meditationen, Einschlafhilfen bis hin zu Traumreisen.“
Entspannung auf Knopfdruck mit einer VR-Brille – Made in Bavaria
Langfristig sollen die virtuellen Reisen nicht nur für Alten- und Pflegeheime sowie Unternehmen verfügbar sein, sondern für jeden, der eine Auszeit aus dem Alltag braucht oder in einer stressigen Situation beruhigt werden muss wie zum Beispiel bei einer Zahnbehandlung.
Seniorin Anneliese Rieger kann gar nicht genug bekommen vom Reisen mit der VR-Brille. Zu gerne möchte sie noch einmal an den Strand – am liebsten nach Griechenland. „Die Welt kommt zu mir. Man kann hier sitzen und genießen.“
Quelle:
https://www.br.de/nachrichten/bayern/virtuell-reisen-senioren-entspannen-mit-vr-brille,SWeC8Hq