Der Kinderchirurg Dr. Markus Palta vom evangelischen Krankenhaus Hamm setzt bei Verbrennungen auf Virtual Reality (VR), um die Kinder während der Behandlung abzulenken und so die Schmerzerfahrungen zu lindern. Zum Einsatz kommt ein VR Erlebnis, bei dem Schneebälle auf Pyramiden geworfen werden.
Verletzungen als Folge von Verbrennungen sind häufig mit starken Schmerzen verbunden. Entsprechend traumatisch ist die Behandlung von Brandwunden. Vor allem bei Kindern haben starke Schmerzerlebnisse psychische, aber auch körperliche Folgen. Kliniken sind daher bemüht, bei medizinischen Interventionen die Schmerzerfahrungen zu lindern und gerade für die Kinder so angenehm wie möglich zu gestalten. Ablenkung kann hier helfen, etwa via VR und Gaming, dachten sich ein Kinderchirurg, ein Hochschulprofessor, ein CIO und eine Master-Studentin – und starteten ein Pilotprojekt.
Von VR versprachen sich die Experten viel aufgrund des grossen Immersionspotenzials, also der Fähigkeit, das Bewusstsein der Nutzerinnen und Nutzer so weit in den Hintergrund treten zu lassen, dass sie die virtuelle Realität als real empfinden und folglich Schmerzen und Angst nicht mehr wahrnehmen. «Kinder sind Experten im Bereich des Gaming, also wollten wir sie da abholen», sagt Dr. Markus Palta, Kinderchirurg.
Oculus go und Smash hit
Das Rennen machte um die VR Brille machte am Schluss die Stand-alone-VR Brille Oculus go, da sie sich ohne Kabel verwenden sowie leicht reinigen und desinfizieren lässt. Die Spielentscheidung fiel auf die Freeware Smash hit, weil hier der Spassfaktor gross ist und genug Interaktion verlangt wird, dass es nicht langweilig wird und die Ablenkung funktioniert. In diesem Spiel werden Schneebälle auf Pyramiden geworfen. «Die Eislandschaft wirkt kühlend für die Kinder», erklärt Palta einen weiteren Vorteil des Spiels.
Neben der 3D-Brille, die das Kind aufhat, wir ein zusätzlicher Bildschirm bereitgestellt, damit das Pflegepersonal weiss, an welcher Stelle des Spiels der Patient oder die Patientin ist. So können Eingriffe an den Spielverlauf angepasst werden.
Zudem galt es, einen Behandlungsplan zu erstellen, das Personal in Bezug auf den VR- und Gaming-Einsatz einzuweisen und eine geeignete Fokusgruppe zu bilden: acht Kinder im Alter von neun bis 17 Jahren mit Brand- und Bruchverletzungen. Auch die Eltern der verletzten Kinder mussten aufgeklärt und involviert werden.
Reduzierte Medikamentengabe, weniger Schmerzen
Im Februar 2021 kam das VR Projekt mit überzeugenden Ergebnissen zum Abschluss: Die Patientinnen und Patienten empfanden die Verbandswechsel als deutlich weniger schmerzhaft, wie Schmerzskalen belegen, und benötigten weniger medikamentöse Therapie. Die Kinder verknüpften diese Interventionen nun sogar mit positiven Assoziationen.
«Durchs Band dachten alle Kinder, dass die Behandlung wesentlich kürzer als in der Realität gedauert hat», fügt Palta hinzu. Das sei die grösste Überraschung und das Hauptergebnis der Studie gewesen, betont er. Auch hätten die Kinder weniger Angst vor Folgebehandlungen gehabt und freuten sich auf die Möglichkeit, erneut die VR Brille nutzen zu können. Nicht zu vernachlässigen seien ferner die positiven Erfahrungen des Personals sowie der Eltern: Gerade letztere hätten sich hoch zufrieden und dankbar gezeigt.
Auch wenn Personalaufwand und Behandlungsdauer erhöht sind, lohnt sich der VR Ansatz, sind alle Beteiligten überzeugt.
Das Thema VR in der Schmerzbehandlung soll am EVK Hamm künftig weiter ausgebaut werden, etwa in der Anästhesie und in der Erwachsenenbehandlung.
Quelle:
cio