Trotz guter Auftragslage stehen Windradhersteller unter großem Wettbewerbsdruck. Senvion aus Osterrönfeld (Kreis Rendsburg-Eckernförde) erhofft sich Impulse durch die Digitalisierung. Tausende Turbinen warten die Mitarbeiter bereits aus der Ferne.
Der Windkraftanlagenhersteller Senvion setzt verstärkt auf Digitalisierung. Am Entwicklungsstandort im schleswig-holsteinischen Osterrönfeld arbeiten Experten an der Zukunft des Windradbaus. Dabei nutzen sie Computersimulationen und virtuelle Realität.
„Wir können Tests automatisieren und dadurch viel Zeit gewinnen“, sagte Werksleiter Martin von Mutius am Donnerstag. Ingenieure müssten nicht mehr für jeden Test vor Ort sein beziehungsweise die notwendigen Wetterkonstellationen abwarten. „Im Einzelfall kann das Monate an Zeit sparen.“
VR-Brillen für die Entwicklung
Bei der Entwicklung künftiger Windradanlagen setzen die Techniker zunehmend auch auf VR-Brillen. „Ingenieure bekommen eine andere Perspektive auf ihre Konstruktion“, sagte VR-Experte Andreas Koch. Sie könnten Entwürfe auf ihre Praktikabilität testen.
Techniker könnten mit Hilfe der Brillen Trainings absolvieren. Ab Mitte des Jahres sei es möglich, dass sich Ingenieure aus Osterrönfeld und anderen Standorten wie Hamburg oder Indien in virtuellen Simulationen „nebeneinander stehen“ und zusammenarbeiten.
6036 Windräder werden gewartet
Senvion wartet vom Turbinen-Kontrollzentrum am Nord-Ostsee-Kanal aus rund um die Uhr derzeit 6036 Windräder weltweit, davon 3500 in Deutschland und knapp 1200 in Schleswig-Holstein. „In erster Linie fungieren wir wie eine Art Feuerwehr“, sagte Abteilungsleiter Simon Hillmann.
„Wir haben permanenten Echtzeitzugriff auf die Anlagen.“ In rund 70 Prozent der Störungsfälle gelinge es von Norddeutschland aus durch Fernwartung, Windräder wieder zum Drehen zu bringen. In knapp einem Drittel der Fälle muss aber tatsächlich ein Techniker vor Ort sein, etwa bei einem Bauteildefekt.
Im Schnitt haben die Anlagen mittlerweile knapp drei Megawatt Leistungsvermögen. Die leistungsstärksten Offshore-Windräder des Unternehmens liegen derzeit bei 6,3 Megawatt. In einigen Jahren werden auf See zehn Megawatt möglich sein, bei einem Rotordurchmesser von mehr als 200 Metern, sagte Mutius.
Senvion dämmt Verluste ein
Senvion hat im ersten Quartal 2018 mit schwindenden Umsätzen gekämpft. Zum konzernweiten Rückgang von mehr als einem Drittel auf 256 Millionen Euro trug vor allem das Geschäft mit der Winderzeugung an Land bei.
Nach Unternehmensangaben ging das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von rund 21 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum auf 800.000 Euro zurück. Der Hersteller konnte seine Verluste aber spürbar eindämmen – von 50 Millionen im Vorjahr auf rund 30 Millionen in diesem Jahr.
Für 2018 rechnet der Hersteller mit einem Umsatz von 1,8 bis 1,9 Milliarden Euro. Das wäre etwa auf dem Niveau des Vorjahres. Senvion leidet wie die Konkurrenz – etwa Nordex oder Vestas – unter einem harten Konkurrenzkampf und schrumpfender Profitabilität. Vor allem bei der Windenergie an Land ist der Markt zunehmend gesättigt, und Subventionen werden heruntergefahren.